Seit Tagen waren wir im Kontakt zu unserem Airbnb Host Mauricio, in seinem Apartment wollten wir in Santiago übernachten. Die Wohnung liegt im Zentrum unweit des Plaza Italia, an dem aktuell täglich die Demonstrationen in Chiles Hauptstadt beginnen. Diesen Plan hatten wir bereits vor Wochen gemeinsam mit Kerstin geschmiedet, als in Chile noch Normalität herrschte. Nun schien alles anders und wir mussten uns aufgrund der Unruhen und Demonstrationen mit Ausschreitungen im Chiles Hauptstadt genau überlegen, wie wir was machen.
Informationen und Tips erhielt ich von Mauricio aus erster Hand, er lebt selber im Zentrum der Stadt. Er riet uns, möglichst am Vormittag in die City zu fahren, da ist es meistens ruhig. So machten wir das dann auch, es war Sonntag und die Straßen waren erstaunlich leer, alles war ruhig. Ohne Probleme erreichten wir den Parkplatz unserer Unterkunft. Wir standen sicher zwischen den Hochhäusern und machten es uns erleichtert zunächst mal mit unserem Müsli auf der Mauer vor unserem Auto gemütlich.
In unsere Unterkunft, die im 21. Stock liegt, konnten wir um 14 Uhr einchecken. Somit blieben uns also noch ein paar Stunden, um die Stadt zu erkunden. Wir spazierten zum Plaza de Armas, durch ein großes Shoppingcenter und schließlich über den zentralen Markt. Das Wetter war schön und auf den Straßen waren einiges los. Auch die Unruhen der vergangenen Wochen zeigten ihre Spuren. Die Gebäude, in denen Banken und Supermärkte sind, wurden mit Spanplatten und Gittern verbarrikadiert, viele Geschäfte blieben geschlossen oder öffneten nur eine kleine Tür, die im Notfall schnell wieder geschlossen werden kann. Werbeplakate, Häuserfronten, Mülleimer, Bushaltestellen und und und waren zerstört, bemalt oder abgebrannt. Trotzdem fühlten wir uns sicher, waren aber auf der Hut. Um 14 Uhr bezogen wir unser Apartment – Yuhuu! Was für ein Luxus. Nun hieß es die Einkäufe einräumen, Bier kalt stellen, duschen und Wäsche waschen. Wir waren erstmal beschäftigt und genossen es, in einer gut sortierten Wohnung zu sein.
Der Flieger von Kerstin und Olli aus Buenos Aires war für 2 Uhr nachts angemeldet, besonders ich war den ganzen Tag schon aufgedreht vor lauter Vorfreude, an schlafen war jedenfalls Vorher nicht zu denken. Wir fuhren zeitig los und stellten unseren Jeffrey in der Nähe des Flughafens auf einen bewachten Parkplatz, dort sollte er die nächsten drei Nächte auch bleiben. Jetzt hieß es warten, warten und warten… leider hatte die Maschine auch noch Verspätung. Um fast 3 Uhr war es dann soweit, die zwei spazierten durch die Sicherheitskontrolle. Was für eine Freude! Noch schnell den Mietwagen abgeholt, in dem wir zu viert Platz hatten und auf zu unserem Appartement in die City. Irgendwie waren wir alle auf einmal nicht mehr müde. Wir machten uns einen leckeren chilenischen Wein auf und quatschten bis zum Morgengrauen. Mit einer ganzen Palette an Mitbringseln zauberte Kerstin etwas heimatliche Atmosphäre in die Bude: Altbier, Lebkuchen, Dominosteine, Gummibärchen, Glühfix und und und zauberte sie aus ihrem Koffer hervor. Es gab Wein und Plätzchen aus Argentinien und unsere bestellten Laufschuhe, sogar für Jeffrey war ein Aufkleber dabei- 95 Olé!
Obwohl wir erst nach sieben ins Bett gegangen sind, verabredeten wir uns gegen 12 Uhr zum Frühstück in unserer Küche. Wir waren erstaunlich ausgeruht und genossen unsere Pfannkuchen. Zum Nachtisch genehmigten wir uns eine Pisco Sour nach peruanischem Rezept. Die Pisco Flasche hatten Markus und ich bereits in Lima gekauft und über 5000 km rumgefahren. Mit Eiweißschaum, Limetten, Zimt und Zucker war der Drink komplett. Gestärkt machten wir uns auf den Weg zum Park, San Cristobal der mit einem Aussichtspunkt, auf den man mit einer Zahnradbahn fahren kann lockt. Dieser Ausflug wurde uns in der Touristeninformation empfohlen, sollte also sicher sein. Wir spazierten etwa 45 min durch die Stadt und standen am Eingang des Parks – der aufgrund von Unruhen in der Stadt die ganze Woche geschlossen blieb. Wir entschlossen uns alternativ Spontan für ein kühles Getränk und quatschten erstmal weiter, schließlich hatten wir uns ja mehr als ein Jahr nicht gesehen, da gibt es viel zu berichten.
Später liefen wir in Richtung des Plaza Italia und sahen uns aus sicherer Entfernung das Treiben der aufgebrachten Demonstranten an. Immer mehr Menschen zogen größtenteils friedlich zur hier täglich stattfindenden Demonstration. Es war ein Sanitätsdienst aufgebaut und die Polizei zeigte ebenfalls Präsenz. Als wir Wasserwerfer sahen, entschieden wir uns für dem Rückzug. Wir fanden ein nettes Lokal, in dem wir zu Abend aßen und machten uns bald auf den Weg Richtung Unterkunft. Es herrschte ein angespannte Stimmung, überall Polizei und Demonstranten, die Zugänge zu öffentlichen Gebäuden waren bewacht und zum Teil gesperrt, Banken und Geschäfte geschlossen.
Wir entschieden, den Abend gemütlich zuhause zu verbringen. An einer Kreuzung unweit unserer Eingangstür standen friedliche Demonstranten, die mit Kochtöpfen und Kochlöffel bewaffnet ordentlich Lärm machten. Dieses Klopfen hallte durch die Häuserschluchten und sollte unseren gesamten Abend begleiten.
Am nächsten Tag waren wir etwas pünktlicher unterwegs, diesmal mit der U-Bahn. Unser Ziel war das höchste Gebäude der Stadt, der Torre Gran Costanera, der mit seinen 300 Metern deutlich aus der Masse der ohnehin schon hohen Häuser heraussticht. Wir hatten Glück, keine Schlange wir konnten direkt zum Fahrstuhl durchgehen und los ging es. Kerstin hatte kaum Zeit, Angst zu haben und schon waren wir oben. Sehr sehr tapfer ließ Kerstin auch unser Gruppenbild über sich ergehen. Wir alle bestaunten die Stadt von oben, unglaublich wie hoch wir waren.
Als nächstes wollte Markus im angrenzenden Shopping Center seinen Geburtstagsgutschein einlösen, einen neuen Rucksack. Wir verglichen das Angebot in verschiedenen Sportgeschäften und Markus entschied sich recht schnell für ein schönes Modell. Etwas verwundert stellten wir beim Verlassen des Geschäftes fest, dass das große Shoppingcenter gerade schloss – es war kurz nach 13 Uhr an einem Montag. Alle Geschäfte kehrten die letzten Kunden raus und die Türen fielen ins Schloss. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass auch heute wieder große Demonstrationen geplant sind und aus Sicherheitsgründen vorzeitig geschlossen wird.
Die U-Bahnen waren ebenfalls außer Betrieb und so beschlossen wir, mit dem ein oder anderen AbsackerStop nach Hause zu laufen. Irgendwann gelangten wir wieder in die Nähe des Plaza Italia, auch heute blieben wir Zaungäste, die Stimmung war sehr angeheizt. Am nächsten Tag lasen wir von Plünderungen und starken Unruhen in der Stadt. Wir verbrachten auch diesen Abend lieber zuhause.
Nach drei Nächten in Santiago zog es uns an die Küste. Wir checkten zeitig aus, holten Jeffrey aus seinem Exil am Flughafen und fuhren in Kolonne aus der Stadt raus. An einigen Stellen waren noch die Spuren der Unruhen der letzten Nacht zu sehen – Reste von brennenden Blockaden qualmten vor sich hin… Wir waren uns einig, bloß raus aus der Stadt. Wir machten noch einen Einkaufsstop in einem hyper Supermarkt – der einfach sehr groß war und suchten das Weite.
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